Shirley Amberg ist Sommelière – oder «Wein Aficionada», wie sie sich selbst bezeichnet. Mit ihr war Cookinesi vier Tage auf Wander- und Weintour am Wilden Kaiser im Tirol. Ein Erlebnisbericht by Mrs. Amberg.
Als Zoe mich fragte ob ich Lust hätte, Sie ins Tirol zum «Wilden Kaiser» zu begleiten, freute ich mich wie verrückt; fliesst in meinen Adern doch ein bisserl österreichisches Blut – und ziemlich oft auch österreichischer Wein.
Der Wilde Kaiser: majestätisch & traumhaft schön
Der «Wilde Kaiser» ist ein imposanter Gebirgsstock, im Osten Tirols gelegen. Er ist der Namensgeber für die Region, welche die vier Orte Ellmau, Going, Scheffau und Söll umfasst.
Dieses Naturparadies liegt jeweils rund eine Stunde Zugfahrt von Innsbruck, Salzburg und München entfernt. Zoe und ich brauchten vom Zürcher Hauptbahnhof aus rund 4 Stunden – ohne Halt, direkt nach Wörgl, wo eine stattliche Limousine des Hotels auf uns wartete.
Unsere erste Station war der «Kaiserhof», ein 5 Sterne Superior Hotel in Ellmau. Dieses idyllische Dorf ist übrigens der Schauplatz der bekannten TV-Serie «Der Bergdoktor». Die Natur hat Ellmau ein imposantes Rundpanorama geschenkt und so dienen die Hütten und Hänge auch vielen weiteren Film- und Musikproduktionen als Kulisse.
Der Empfang im Kaiserhof war herzlich, die Ankunft im Zimmer überwältigend. Diese Aussicht! Der «Wilde Kaiser» erstreckte sich direkt vor unseren Augen, wir konnten uns kaum daran sattsehen. Ich sage es mal so: wir verbrachten den gesamten Rest des Tages auf unserem Balkon…
Glas ist nicht gleich Glas. Verblüffender Abend by Riedel
Am Abend ging es nach Söll in den «Riedel Room» im Hotel Greil, wo uns eine «Glas-Wein» Verkostung erwartete. Riedel Gläser sind ein weltbekanntes Tiroler Handwerksprodukt, von Glasmachermeistern im nahegelegenen Kufstein mundgeblasen. Professor Claus J. Riedel erkannte vor einem halben Jahrhundert dass das Bouquet, der Geschmack, die Balance und der Abgang von Wein durch die Form des Glases beeinflusst wird. Er entwarf Gläser, die damals einzigartig waren: dünn geblasen, schlicht, das Design auf das Wesentliche reduziert. Kelch, Stiel, Bodenplatte. Riedel folgte dem Bauhaus-Prinzip «Form folgt Funktion»: Das Glas folgt dem Charakter der jeweiligen Rebsorte.
Nach Hongkong, Bangkok und Tokio folgte mit dem Riedel Room im Gasthof Greil der erste und bisher einzige in Europa. Über 1000 Gläser und rund 40 Dekanter im Wert von etwa 70’000 Euro sorgen für ein unvergesslichen Weinabend. Ich gestehe: ich war vorgängig etwas skeptisch.
Freilich, ich wusste, dass Gläser einen Einfluss auf das Weinverhalten haben – doch was ich da erlebte, war einfach nur verblüffend! Bereits nach der ersten Verkostungsrunde waren alle Zweifel verflogen. Es war unglaublich faszinierend, wie unterschiedlich ein und derselbe Wein aus verschiedenen Gläsern schmeckte. Die Tropfen unterschieden sich in der Nase, auf der Zunge und am Gaumen so markant, dass wir bisweilen meinten, zwei verschiedene Weine zu kosten. Wir haben dann auch noch mit Coca-Cola experimentiert: aus einem «ungeeigneten» Glas getrunken, schmeckte die Brause klebrig und schal. Aus dem eigens für Coco-Cola designten Riedel-Glas mundete die Cola frisch und belebend. Hätte ich das nicht selber erlebt, ich würde es keinem glauben, der mir das erzählt…
Am nächsten Morgen tranken wir unsere ersten beiden Kaffees auf dem Balkon unseres Zimmers. Ich hab’s erwähnt … diese Aussicht!
Nach dem Frühstück genossen wir eine wunderbare Massage im luxuriösen Spa. Glücklich und erholt machten wir uns zu unserer ersten Wanderung auf: über Stock und Stein, über Wiesen und durch Wälder – aber immer den «Wilden Kaiser» im Blick.
Hungrig freuten wir uns auf den z’Nacht! Wobei Zoe und ich uns eigentlich immer auf Essen freuen. Ich muss sagen, dass im Tirol sehr zurückhaltend mit Gewürzen umgegangen wird. Auch ist es für Vegetarier nicht ganz einfach (das vegetarische Menu war eine Fischspeise …).
Doch machte die Weinkarte alles wieder gut. Karl Rothender, Österreichs Sommelier des Jahres 2007, betreut die Weinsammlung des Hauses. Rund 200 Weine lagern im «Vinariat» wo ausnahmslos alle bekannten österreichischen Winzer zu finden sind.
Von Wörgl am Berg ins schmucke Dorf Söll
Den nächsten Vormittag verbrachten wir faul im Spa, am Panorama-Pool und beim Naturweiher, bevor es für uns weiter nach Söll in das Hotel «Postwirt» ging. Das Gebäude wird im 13. Jahrhundert erstmals als «Postgasthof» urkundlich erwähnt und ist damit das älteste bis heute erhaltene Gebäude in der gesamten Region. Hinter den dicken Mauern wurden viele wichtige Entscheidungen getroffen und im Laufe der Jahrhunderte beherbergte der «Postwirt» verschiedenste historische Persönlichkeiten, beispielsweise checkte die kaiserliche und königliche Hoheit Prinz Erzherzog Ferdinand am 5. August 1897 dort ein.
Was Weinbergschnecken mit Wein zu tun haben
Unseren Aperitiv nahmen wir im schmucken, gegenüberliegenden «Weinatelier Agnes» ein. Die Besitzerin ist mit der Gründerin von Tirols erster Weinbergschneckenzucht verwandt. Wein, Weinbergschnecken … wie kommt das Wesen eigentlich zu seinem Namen? Weinbergschnecken lieben wie auch die Weinreben kalkhaltige Böden, denn dort finden sie die optimalen Voraussetzungen für ihr gesundes Wachstum. Kalk wird von der Schnecke vor allem für das eigene Häuschen benötigt, um zu «expandieren» und um eventuelle Schäden zu reparieren. Aber auch für den Nachwuchs, also die Eiablage verwendet die Schnecke den Kalk. Zwar gibt es wegen der hohen Lage und den kalten Wintern nur wenig Weinbau im Tirol (die derzeitige Klimaerwärmung wirkt sich für den Tiroler Weinbau positiv aus!); aber Kalk gibt es zu Genüge! Der Wilde Kaiser gehört zu den nördlichen Kalkalpen und ist reich an dem kostbaren Mineral.
Die Schneckenzucht von Simone Embacher begann im Herbst 2018. «Geerntet» wird im späten Herbst: sobald es kalt wird, ziehen sich die Schnecken in ihr Haus zurück, bilden zum Schutz einen Deckel und fallen in den Winterschlaf. In diesem Zustand landen sie dann im Kochtopf. Es gibt wohl kein Nutztier, das schonender stirbt: sie kommen schlafend ins kochende Wasser und sind sofort tot. Auf eine Kostprobe haben wir dann aber doch verzichtet…
Der Jägerwirt in Scheffau – ein Must-Visit für Foodies, die lokale Gerichte entdecken wollen!
Bei unserer zweiten Wanderung bestaunten wir insbesondere die wunderschönen Häuser mit ihren unglaublichen Blumendekorationen. Zoe fragte sogar drei verschiedene Bewohner, ob die Blumen und die grosse Arbeit dahinter denn irgendwie subventioniert seien. Die Antwort lautete jedesmal: «Na! Das ist unser Stolz und eine Ehrensache!»
Hungrig kehrten wir im «Jägerwirt» in Scheffau ein. Dort sitzt man Tisch an Tisch mit Bergsteigern, Velofahrern und Promis (Tina Turner war auch schon da). Es ist wirklich schön zu sehen, wie sich hier alle wohlfühlen. Aufgebrezelte Tiroler Schönheiten neben müden Bergsteigern und Familien mit Kindern … ein Haus für Alle! Auf die Frage, was die wichtigste Zutat in seiner Küche sei, antwortet Chef Andi Salvenmoser: «Die Liebe. Und Salz und Pfeffer.» Nun mag dies vielleicht in manchen Ohren etwas pathetisch klingen – doch wer sich mit Andi Salvenmoser über seine Küche unterhält merkt, dass es diesem Koch mit der Liebe ernst ist. Mit der Liebe zu den regionalen Köstlichkeiten, zu den Gästen, zu seinem Team und natürlich seinem Lebenspartner Martin, mit dem er seit über 20 Jahren zusammen ist.
Im Jägerwirt braucht es weder Glutamate noch sonstige künstliche Geschmacksverstärker – gekocht wird mit dem, was die Natur aus der Region hergibt. Sei dies das Lamm, das von Andis Taufpatin kommt, oder das Gemüse und die Eier, welche er von befreundeten Bauern bezieht.
Er sagt: «Wenn ich weiss, woher meine Produkte kommen, kann ich ganz anders mit ihnen kochen. Tirol hat einfach wahnsinnig viel zu bieten, sowohl an Lebensmitteln als auch an Gastfreundschaft und das merken die Gäste bei uns.»
Dem Koch ist es auch ganz wichtig, Produkte sinnvoll zu verarbeiten. Das heisst, den «Bio-Müll» zu reduzieren. Auch aus hartem Brot lässt sich noch etwas Leckeres zaubern, anstatt es in den Abfall zu werfen. «Man kann daraus zum Beispiel Chips machen oder ein Schwarzbrotknödel mit Steinpilzen», so Andi. Seiner Antwort auf die Frage nach der wichtigsten Zutat würde ich noch «Leidenschaft» hinzufügen. «Liebe. Salz und Pfeffer … und Leidenschaft!»
Und schon bald hiess es für Zoe und mich «Pfiat-di, Tirol» (Aufwiedersehen, Tirol)
Unsere Tage in diesem lauschigen Fleckerl Erde verflogen viel zu schnell! Die Erinnerungen daran sicherlich nicht…
Danke, liebe Zoe, dass ich mit Dir das schöne Tirol erleben durfte – und dass Du meine Wanderlust wiederentfacht hast 🙂
Mehr zu Shirley Amberg findet man auf der Webpage der «Wein Aficionada».